Geschichten mit Haltung – Welche ethischen Prinzipien gutes Storytelling leiten sollten

Veröffentlicht am 17. April 2025 um 18:45

„Was wir erzählen, formt, was wir für möglich halten.“
– Chimamanda Ngozi Adichie, Schriftstellerin und Storytelling-Vordenkerin

 

Stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Führungskräfte-Meeting. Die Zahlen sind durchwachsen, die Stimmung angespannt. Und dann beginnt Ihre der CFO zu erzählen: von einem mutigen Projektteam, das ungewohnte Wege gegangen ist – mit Risiken, Rückschlägen, aber auch messbaren Erfolgen. Plötzlich verändert sich die Dynamik im Raum. Die Zahlen bekommen ein Gesicht, die Geschichte inspiriert. Aber: Wie stellen wir sicher, dass diese Geschichte nicht nur berührt, sondern auch der Wahrheit entspricht?

 

Storytelling braucht Verantwortung

Gutes Storytelling kann bewegen, motivieren – und Entscheidungen beeinflussen. Gerade deshalb tragen wir eine besondere Verantwortung. Denn dort, wo Geschichten überzeugen sollen, ist die Versuchung groß, die Realität zu glätten, Unangenehmes auszusparen oder Held:innen zu erfinden, wo keine waren.

Drei ethische Grundsätze helfen, die Balance zu halten:

  1. Transparenz – keine Zahlen ohne Kontext

Wenn wir Zahlen in Geschichten verpacken, müssen wir ehrlich bleiben: über Quellen, Unsicherheiten und Grenzen. Kennzahlen sind kein Selbstzweck, sondern Teil eines Gesamtbildes – und genau dieses Bild verdient eine transparente Einbettung. Das gilt nicht nur im Reporting, sondern auch in der strategischen Kommunikation mit Stakeholdern.

  1. Authentizität – keine Rollen, die nicht existieren

Die besten Geschichten in der Finanzwelt sind oft die, die wirklich passiert sind. Authentizität bedeutet, reale Erfahrungen zu erzählen – auch wenn sie nicht perfekt sind. Denn genau darin liegt die Glaubwürdigkeit. Wer aufrichtig kommuniziert, schafft Vertrauen. Authentisches Storytelling heißt nicht, dass alles glatt laufen muss – sondern dass man dazu steht, wenn es mal holpert.

  1. Fairness – alle Perspektiven zählen

Storytelling im Unternehmen ist nie neutral. Deshalb ist es umso wichtiger, verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen: Was bedeutet der Erfolg für das Vertriebsteam, die Produktion oder die HR-Abteilung? Wer sind die stillen Held:innen im Hintergrund? Fairness bedeutet, niemanden unsichtbar zu machen – und niemanden zu glorifizieren, der es nicht verdient.

 

Praxisbeispiel: Wenn das „Projekt Phoenix“ zur Heldensaga wird

In einem mittelständischen Produktionsunternehmen wurde ein Sanierungsprojekt intern unter dem Namen „Projekt Phoenix“ kommuniziert. Die Controllerin gestaltete ihre Präsentation zum Projektfortschritt als emotionale Erfolgsgeschichte: „Vom Krisenfall zur Erfolgsstory“. Sie betonte den Kostensenkungserfolg, die neue Effizienz und das gemeinsame Überwinden von Hürden.

Was fehlte? Der Hinweis, dass dieser Weg mit Personalabbau, überlasteten Schichten und vielen freiwilligen Kündigungen verbunden war. Das Team, das die Einsparungen hart erarbeitet hatte, fühlte sich nicht gesehen. Die Folge: Misstrauen – und eine Präsentation, die in ihrer Wirkung verpuffte.

Die Lehre: Wenn das Controlling zur Erzählung greift, darf es dabei nicht nur auf die Bühne blicken – sondern muss auch hinter die Kulissen schauen.

 

Was wir aus Journalismus, Coaching und CSR lernen können

Berufsethische Standards bieten wertvolle Orientierung. Der Pressekodex im Journalismus, die Ethikrichtlinien des Coaching-Verbandes ICF oder CSR-Leitlinien für Unternehmenskommunikation setzen ähnliche Maßstäbe: Verantwortungsbewusstsein, Wahrhaftigkeit, Respekt. Diese Prinzipien lassen sich auf das Storytelling im Controlling hervorragend übertragen.

Denn Controlling ist nicht nur Zahl, sondern Haltung. Und Haltung zeigt sich in der Art, wie wir erzählen.

 

Dramaturgie vs. Drehbuchfälschung – wo ist die Grenze?

Natürlich darf eine gute Geschichte spannend erzählt sein. Dramaturgie bedeutet, eine klare Struktur zu wählen: mit einem Einstieg, einem Konflikt, einer Wendung und einer Lösung. Das erhöht die Aufmerksamkeit und macht Inhalte merkfähig.

Aber: Drehbuchfälschung beginnt dort, wo Fakten zurechtgebogen werden, wo aus einer kleinen Verzögerung ein dramatischer Befreiungsschlag wird – oder wo unbequeme Wahrheiten unter den Tisch fallen. Das Publikum – intern wie extern – spürt schneller als man denkt, wenn etwas nicht stimmt.

Die Devise lautet daher: Emotional ja, manipulativ nein.

 

Die „Ethik-Ampel für Storytelling“

Diese Ampel hilft dabei, in der Vorbereitung kritisch zu reflektieren, ob die Geschichte noch fair und verantwortungsvoll erzählt ist – oder bereits in eine unethische Richtung driftet.

 

Fazit: Haltung wirkt – auch in Zahlen

Ob im Reporting, in der Strategiepräsentation oder in der Teamkommunikation: Wer erzählt, übernimmt Verantwortung. Ethik im Storytelling ist kein „nice to have“, sondern ein Führungsinstrument. Es geht darum, Zahlen mit Haltung zu verbinden – ehrlich, respektvoll und verantwortungsvoll.

„Wer mit Wirkung erzählen will, muss zuerst mit Haltung erzählen.“

Bildnachweis: iStock/RomoloTavani; Ethikampel -> KI generiert

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